augenblick & eigensinn: Eine unerwartete Reise

Montag, 22. April 2013

Eine unerwartete Reise


Man sollte meinen, dass dieser Anblick, mit dem ich die letzten Tage verbracht habe, während ich mit hohem Fieber und einer schmerzhaften Muskel- und Nervenentzündung im Bett lag, wenig inspirierend sei. Mitnichten! Hinter den Vorhängen verbergen sich nämlich weitere Schätze aus meinem textilen Fundus - und stundenlang darauf zu starren und nichts machen zu können, beflügelt die Fantasie ungemein.
Es ist nämlich meine Nähecke, auf die ich die ganze Zeit vom Bett aus gestarrt habe. Da ich gerade dabei bin, umzuziehen (wenn ich nicht krank im Bett liege), warteten hinter den Vorhängen noch Säcke mit Stoffresten, die ich teils seit 25 Jahren mit mir herum schleppe. Wenn man näht, dann gibt es immer den einen oder anderen Rest, der einfach zu schade ist, um ihn wegzuwerfen. Wie oft schon habe ich Kleinigkeiten als Mitbringsel aus genau diesen Resten kreiert, oft kommentiert mit: "Wo Du diese ganzen Stoffe nur immer her nimmst, so eine Auswahl gibt es in unserem Stoffgeschäft gar nicht!" Wie auch, sind in meinem Fundus nicht nur gekaufte, sondern auch viele geerbte und geschenkte Schätze, das erhöht die Auswahl ungemein.

Nun, diese Stoffe in den Säcken nun schleppe ich seit Jahren mit dem Vorhaben herum, daraus dann mal eine Patchworkdecke zu nähen, angelehnt an den Film "How to make an American Quilt" von Jocelyn Moorhouse nach einem Roman von Whitney Otto, der 1995 ins Kino kam, den ich unbedingt sehen wollte, was ich aber bis heute nicht getan habe. In diesem Film rankt sich eine Geschichte um die gemeinsame Handarbeit verschiedener Frauen an diesem einen Quilt, wie auch immer, diese Idee hat mich damals faziniert und tut es noch immer.

Meinen ersten Patchworkquilt habe ich mit 12 Jahren genäht, meine Tante hatte mir Stoffe (von denen mir nur wenige wirklich gefielen) aus einem Outlet-Verkauf säckeweise mitgebracht. Aus den schönsten davon hatte ich die Oberseite zusammengenäht, allerdings hatte ich, nach dem ich Volumenvlies gekauft hatte, mein Taschengeld damals erschöpft und habe deshalb die Rückseite aus irgendwelchen großen Stoffstücken zusammengenäht. Das war jedoch so unbefriedigend, dass ich diese Decke nie fertig gesteppt habe, sondern sie seit dem lose geheftet mit mir herum schleppe.

Mein zweiter Quilt stammt aus dem Jahr 2011 - mit gekauften Stoffen, weil mir in der Reha vor Langeweile die Decke auf den Kopf zu fallen drohte. Da ich genug Zeit hatte, ist er fertig geworden und liegt seither auf meinem Sofa, viel und gerne benutzt.



Nachdem meine jüngste Tochter sich dann einen Quilt zu Weihnachten gewünscht hat, wollte ich schon das Geschichtsprojekt in die Tat umsetzten, nur leider ist es ja wie immer so, das Weihnachten sich so überraschend schnell nähert, das Zeitfenster zur Umsetzung immer kleiner wird. Außerdem drehte sich die Bemerkung "aber mit coolen Stoffen, ok?" die ganze Zeit in meinem Hinterkopf. Wenn man mit Resten arbeitet, ist dass vielleicht nicht immer gegeben, oder?

Nun, ein Shopping-Ausflug zu Panduro hat das Problem dann ganz einfach gelöst, ich hatte mich in fertig zugeschnittene Stoffquadrate aus der Winterbird-Collection von Tilda verliebt. Die waren ja auch schon fertig zugeschnitten, das spart ungemein viel Zeit, überzeugte ich mich selbst zum Kauf - nun, zu Weihnachten gab es also Patchworkdecke Nr. 3.



Und jetzt wird es bald Patchworkdecke Nr. 4 geben, denn ich habe tatsächlich die Zeit genutzt, als das Fieber so weit heruntergegangen war, dass ich einigermaßen aufrecht sitzen konnte, und habe diese ganzen Stoffreste durchsortiert und Flicken daraus zurecht geschnitten. 6 Stoffe fehlen mir noch, dann habe ich 300 Quadrate zusammen. Und bis jetzt gibt es nicht einen Stoff dabei, der ohne Geschichte wäre.

Noch immer tauchen Stoffe aus dem Fundus meiner Tante auf, dann ist mir unser erster Kinderwagen begegnet, den ich damals neu bezogen hatte, Kinderkleider meiner Töchter, Sommershorts meines Sohnes, Puppenwagenbettwäsche und Küchengardinen, erste Turnbeutel, ehemalige Sommerkleider und mein Tanzschul-Abschlussballkleid , das zwischendurch einen Gastauftritt als Kinderkleidchen hatte... dabei habe ich beschlossen, nur die blau-grundigen Stoffe zu verwenden und in einem einfachen Farbschema zu bleiben.


Eine unerwartete Reise in die Vergangenheit hat begonnen. Und ich freue mich auf eine Decke, wo ich zu jedem einzelnen Stoff eine Geschichte und eine Verbindung habe und sich auf diese Art alte Dinge zu einem neuen Ganzen fügen werden, damit die Geschichten nicht verloren gehen.

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